Das einzige Keramik-Museum in Mitteldeutschland wurde schon 1880 als Mustersammlung gegründet. Es dürfte damit das älteste Spezialmuseum für Keramik überhaupt sein. Dokumentiert wird die Geschichte des Töpferhandwerkes in Bürgel und der zugehörigen Landmeister von den nachweisbaren Anfängen Mitte des 17. Jahrhunderts bis zur Gegenwart.
Seit Mai 2003 wird die informative Dauerausstellung im sanierten, denkmalgeschützten »Alten Schulhaus« in der Ortsmitte präsentiert. Neben einfacher Irdenware mit Engobe-Bemalung finden sich Beispiele für das sehr hoch gebrannte »Irdenware mit Engobe-Bemalung«Irdenware mit Engobe-Bemalung ist eine relativ weich gebrannte Keramik. Der Scherben ist nicht vollständig gesintert und dadurch porös und ohne Glasur wasserdurchlässig. Die Oberfläche eignet sich gut zur Dekoration mit eingefärbten Flüssigtonen (= Engoben oder Begussmassen). Häufig werden dabei die durch Tauchen aufgetragenen Engoben zusätzlich mit andersfarbigen Flüssigtonen bemalt. Weit verbreitetes Werkzeug hierfür ist bis heute das so genannte Malhörnchen, mitunter auch als Gießbüchse bezeichnet. Es handelt sich um ein kleines, meiste tönernes Gefäß mit Federkiel, mit dem der zähflüssige Ton gut in Punktdekoren oder fließenden Linien aufgetragen werden kann. Das so gewonnen Muster bildet eine erhabene, haptisch fühlbare Struktur auf der Oberfläche der so dekorierten Keramiken. Eines der deutschen Zentren der Engobe-Bemalung ist bis heute das ostthüringische Bürgel. Auch die Krehans haben in ihrer Dornburger Werkstatt Gefäße mit Malhörnchen-Dekoren gefertigt. Steinzeug»steinzeug«Als Steinzeug wird bei hohen Temperaturen von bis zu 1300 Grad Celsius gebrannte Keramik bezeichnet, deren Scherben vollständig gesintert ist. Das heißt der gebrannte Ton hat den maximalen Verdichtungsgrad erreicht und ist dadurch nicht mehr wasserdurchlässig. Da Steinzeuggefäße dadurch auch keine Partikel der in ihnen aufbewahrten Lebensmittel aufnehmen und rückstandsfrei gereinigt werden können, waren sie über viele Jahrhunderte für die Vorratshaltung unentbehrlich. Die Steinzeugherstellung hat wesentlich zur Etablierung Bürgels als Töpferstadt beigetragen. Das ostthüringische Städtchen bildete eines Zentren der Steinzeugproduktion in Deutschland. mit der typischen »Blauen Schürze«»Blaue Schürze«In Bürgel, zeitweilig auch in der nordöstlich anschließenden Region um Shkölen und Zeitz, wurde die hochwertigen Steinzeuggefäße mit einer Anwurfglasur aus zerstampftem blauem Glas, Kochsalz und Bleioxid verziert. Das Bewerfen mit dem Glasurpulver erfolgte zum Zeitpunkt der höchsten Temperatur während des Brandes. Da die auch als Smalte bezeichnete Glasurmischung nur von einer Seite in den Ofen geworfen wurde, haben die getroffenen Gefäße meist unterschiedlich große, seitliche Glasurflecken, die als <b>»Blaue Schürze« </b>beziehungsweise<b> »Blauschürze« </b>bezeichnet werden. Dieses Glasurverfahren wurde wahrscheinlich seit dem 18. Jahrhundert bis Ende der 1930er Jahre angewandt und gilt als typisch für das Dekor des Bürgeler Steinzeugs und der zur Bürgeler Innung gehörenden Landmeister. Auch in Dornburg wurde noch zu Beginn der 1920er Jahre durch Max Krehan dieses Verfahren praktiziert. sowie der in Manufakturen gefertigten Luxuskeramik aus der Zeit des Historismus, des Jugendstils und der 1920er Jahre. Einen Schwerpunkt bilden Keramiken nach Entwürfen Henry van de Veldes (siehe unten), die in Bürgel ab 1902/03 in großem Variantenreichtum produziert wurden. Werke späterer Keramikerpersönlichkeiten wie Carl Fischer (siehe unten) und Walter Gebauer (siehe unten) sind ebenso vertreten wie typische Stücke der Bürgeler Blauweiß-Keramik»Bürgler Blauweiß-Keramik«Obgleich Bürgeler Blauweiß-Keramik nur eine von vielen Dekorvarianten der in der ostthüringischen Töpferstadt hergestellten Tonwaren bildet, haben Gefäße mit blauer Engobe und weißen Punkten der Stadt und ihrer Töpferei ein weithin als typisch angesehenes Produktimage verschafft. Die Anfänge des Dekors liegen im Dunkeln. Nachweislich wurden um 1910 von Henry van de Velde entworfene Tee- und Kaffeeservice mit dem blauweißem Engobedekor auf den Markt gebracht. In den 1970er Jahren wurde die blau-weiße Keramik durch Verzicht auf andere Dekore zum typischen Produkt der Bürgeler Töpferei. Bis heute entspricht „Bürgeler Blauweiß“ der Erwartungshaltung vieler Kunden, wobei heute die meisten Töpfereien ihr Angebot auch um andere Dekore erweitert haben..
Vom Bürgeler Museum aus wird auch das Projekt zur musealen Umgestaltung der Dornburger Keramik-Werkstatt betreut. Mit dem ehemaligen Bauhaustöpfer Otto Lindig (2009/10) und der Keramikerfamilie Körting (2012) wurden bereits zwei wichtige Abschnitte der Dornburger Keramikgeschichte durch Sonderausstellungen gewürdigt. Zu den Sonderausstellungen erscheinen Kataloge in einer eigenen Museumsreihe. Es dürfte sich um die wichtigste Katalogreihe zur deutschen Keramikgeschichte in der Gegenwart handeln.
Die Schriftenreihe ist im Museumsshop ebenso erhältlich wie ausgewählte Produkte regionaler Töpfereien. Unter konservatorisch guten Bedingungen und fachlicher Aufsicht werden im Bürgeler Museum auch die ständig wachsenden Sammlungsbestände zur Dornburger Keramik-Werkstatt gelagert. Hierzu gehören auch wichtige Dauerleihgaben der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen — Sammlung Winnicke, Nachlass Körting, Sammlung Breitenbach sowie der Ernst von Siemens-Kunststiftung.
Persönlichkeiten
Henry van de VeldeCarl FischerWalter Gebauer
Carl Fischer (1891-1969)
nach einer Ausbildung an der Keramischen Fachschule in Bunzlau erwarb der im sächsischen Döbeln geborene Fischer
in Bürgel eine Manufaktur und begründete die Bürgeler Kunstkeramische Werkstätte (BKW). Zunächst noch der Formensprache des Vorgängerbetriebes verpflichtet, setzte er schnell eigene Akzente, zunächst bei selbst entwickelten mehrfarbigen Laufglasuren, bald auch durch neue Gefäßformen. Neben glasurgebundenen Dekoren spielte auch immer die Schlickermalerei eine wichtige Rolle, wobei die Fischerwerkstatt wohl die erste in Bürgel war, in der Ritzdekore in einfarbige Engoben eingegraben wurden. Nach 1945 dominierte blau-weiße Engobe-Keramik, bei der die geritzten Ornamente mit Schlickermalerei zum typischen „Fischerstil“ kombiniert wurden.


